"Vermarktung macht die meiste Arbeit!" - Workshop zur Direktvermarktung von Rindfleisch ab Hof

Bergisches Rheinland

Am 7. Oktober traf sich eine kleine Gruppe Rinderhalter, Bullenmäster, Direktvermarkter und Metzger auf dem Hof von Nicolai Harbort in Königswinter-Faulenbitze, um sich über ihre Erfahrungen mit der (Direkt)Vermarktung von Rindfleisch auszutauschen. Eingeladen zu dem Workshop "Erfolgreiche Direktvermarktung von Rindfleisch ab Hof - Trends, Herausforderungen und Impulse” hatte die Öko-Modellregion Bergisches RheinLand.

Deren Managerin Jacqueline Hasenau wollte an diesem Vormittag gemeinsam mit den Praktikerinnen und Praktikern die Trends und Herausforderungen der Direktvermarktung von Rindfleisch herausarbeiten und über diesen Erfahrungsaustausch neue Impulse setzen. Unterstützt wurde sie dabei von Carina Steinhaus, Beraterin für Direktvermarktung und Agrarmarketing bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. 

Zielgruppen genau kennen

„11 Mio. Rinder werden in Deutschland in rund 129 000 Betrieben gehalten - mit weiterhin rückläufigem Trend“, führte Carina Steinhaus ins Thema ein. Sie analysierte die jüngste Entwicklung des Fleischkonsums der Deutschen, der ebenfalls abnehme - als Verzichtgründe stünden Tierwohl, Gesundheit und Klimaschutz an erster Stelle. Steigende Preise führten in jüngster Vergangenheit zu einem veränderten Kaufverhalten der Kunden, Hackfleisch und Co. seien gefragter denn je. „Neben den günstigeren Teilstücken sind aber auch solche Produkte beliebt, die schnell und einfach zuzubereiten sind. Wohin dann mit den Edelteilen?“, hinterfragte die Referentin und gab auch gleich die passende Antwort: „Konsumenten, die das Grillen als Volkssport zelebrieren, Steak-Akademien und offene Beeftastings stellen eine gute Zielgruppe für die Edelteile dar.“ 

Chancen sah die Beraterin ganz klar im Angebot von Rindfleisch ab Hof. Neben bester Qualität, umwelt- und tiergerechter Produktion stünden die Emotionen beim Einkaufen im Vordergrund. „Die Menschen konsumieren heute zunehmend bewusster, essen weniger, dafür aber hochwertigeres Fleisch. Optimal ist es, wenn Sie zu Ihrem Rindfleisch, zu seiner Erzeugung eine Geschichte erzählen und das Produkt erlebbar machen können“, ermunterte Steinhaus dazu, sich als Erzeuger ins Spiel zu bringen und die eigene Hofgeschichte mit dem Produkt Rindfleisch zu verknüpfen. „Das schafft Authentizität und macht Sie zu etwas Besonderem.“

Für elementar wichtig hielt Carina Steinhaus die Zielgruppenanalyse und das daraus resultierende Marketing. „Wenn Sie sich auf eine Zielgruppe fokussieren, deren Verhaltensweisen, Bedürfnisse und Werte Sie ganz genau kennen, können Sie diese Verbraucher gezielt ansprechen und ganz konkret auf deren Wünsche eingehen. Dann lässt sich Rindfleisch erfolgreich vermarkten“, so das Fazit der Referentin.

Was ist die beste Vermarktungsform?

Noch besser zu werden bei der Kundenansprache - das hat sich auch Nicolai Harbort vorgenommen, auf dessen Betrieb der Workshop der ÖMR BergischesRheinland stattfand.  Der 42-jährige Agraringenieur, der im Haupterwerb einen Garten-Landschaftsbaubetrieb leitet und 2016 mit dem Kauf von vier Glanrindern den Quereinstieg in die Landwirtschaft gemacht hat, bezeichnet sich selbst als Nebenerwerbslandwirt mit Ambitionen, irgendwann in den Vollerwerb einzusteigen. 

Die wachsende Herde habe den Kauf von Grünlandflächen an einem neuen Standort nach sich gezogen, 2022 hat Harbort einen Tiefstreustall für 35 Tiere gebaut. Aktuell bewirtschaftet er rund 60 ha, davon 45 ha Grünland und 15 ha Acker, auf denen Kleegras, Getreide und Silomais in weiten Fruchtfolgen stehen. „Die Bullen werden, anders als die Mutterkühe, vom Gras nicht satt. Mit Gras-Mais-Rationen wachsen sie hingegen super“, so der Agraringenieur zur Fütterung. 

Harborts Hof sei von Beginn an ein Biobetrieb gewesen, anfangs noch Mitglied bei Bioland, heute EU-Bio. „Ich habe den Eindruck gewonnen, dass eine Verbandsmitgliedschaft bei der Vermarktung von Fleisch nicht unbedingt vorteilhaft wirkt“, so Nicolai Harbort, der das Fleisch seiner Tiere unter dem Markennamen „Harborts Bestes Weidefleisch“ zunächst vor allem online vermarktet hat. „Das lief während der Coronazeit super! Zwei Bullen haben wir monatlich schlachten und verkaufen können!“, schwärmt er noch heute von diesen erfolgreichen Jahren, in denen er neben dem Online-Geschäft auch noch die Marktschwärmerei in Bonn-Beuel beliefert habe. Doch das sei nach Corona und mit den weltweiten Krisen vorbei gewesen. Aktuell könne er gut sechs Tiere im Jahr vermarkten. 

TK-Stücke und Suppe im Glas

Dabei befinde sich sein Betrieb derzeit in einer Findungsphase. „Wir sitzen hier in Königswinter und damit im Speckgürtel des Großraums Köln-Bonn-Siegburg. Diesen Vorteil müssen wir voll ausnutzen. Dazu müssen wir aber genau herausarbeiten, was für uns individuell die beste Vermarktungsform ist und uns fokussieren: An wen will ich welche Produkte verkaufen?“ Sowohl die Marktschwärmer, als auch der Lieferservice, den Harbort zurzeit noch einmal wöchentlich betreibt, seien etwas eingeschlafen und eher als Nischen zu sehen. Gut laufe nach wie vor der Online-Handel. „Wir verkaufen alle Teilstücke der Rinder küchenfertig portioniert und tiefgefroren.“ Mit der TK-Kost beliefere er außerdem zwei regionale Rewe-Märkte. „Die Zusammenarbeit mit dem LEH ist relativ unkompliziert. Allein: Die Regale müssen immer gut gefüllt sein, sonst ist man ganz schnell wieder ausgelistet“, mahnte Harbort. 

Ein regelrechter Verkaufsschlager seien Fertiggerichte im Glas, die Nicolai Harborts‘ Schwester im Lohn für ihn herstellt. „Wir kochen Gulaschsuppe, Chili con Carne, Currywurst und Linsensuppe in der Großküche eines Catering-Services ein. Die Gläser bringen wir zu einem Metzger mit Konvektomaten, sodass diese nachher gut zwei Jahre haltbar sind. 150 Gläser stellen wir her, die wir einlagern und nach und nach abverkaufen“, erklärte der Unternehmer und ergänzte, dass er bei den Konserven künftig noch mehr Gas geben wolle. „Das bauen wir noch aus!“, zeigte sich Nicolai Harbort sicher.

Ein unternehmerisches Fazit für die Vermarktung von „Harborts Bestem Weidefleisch“ im Nebenerwerb konnte Nicolai Harbort nach gut acht Jahren des Aufs und Abs ziehen:   „Man sollte jedes Projekt regelmäßig nachkalkulieren und schauen, ob Aufwand und Output in einem sinnvollen Verhältnis stehen. Genauso scharf muss man die Kunden im Blick haben und sie ganz gezielt ansprechen. Daraus ergibt sich dann die entsprechende Vermarktungsform. Wenn man weiß, worauf der Fokus gelegt werden muss, bleibt die Fleischvermarktung ab Hof zwar vielleicht eine Nische - aber dafür eine erfolgreiche.“

Meike Siebel, Landwirtschaftskammer NRW